Gesetzesänderung "Schriftform" - Gewerberaummietrecht & Emojis

02. Dezember 2024

Mit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz hat der Bundestag mit Wirkung ab dem 1. Januar 2025 eine ganz wesentliche Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) beschlossen, die signifikante Auswirkungen auf die Art des Vertragsabschlusses gewerblicher Mietverhältnisse haben wird.

1. Bisherige Rechtslage

Wollte man bisher einen gewerblichen Mietvertrag abschließen, so galt die Vorschrift des § 550 BGB – „das Schriftformerfordernis“:

Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit.

Wurde also die Schriftform nicht eingehalten, so galt der Mietvertrag für unbestimmte Zeit und war im Ergebnis nach Ablauf eines Jahres mit den kurzen Fristen des § 580a BGB kündbar („spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahrs zulässig“). Schriftform bedeutete zunächst Originalunterschriften, aber auch erweiternd bzw. vertiefend diverse formelle Vorschriften für korrekte Nachträge bzw. Abreden innerhalb des dann laufenden Mietverhältnisses. Regelmäßig wurde daher bei Gewerberaummietverhältnissen - als „Joker“ – die Einhaltung der Schriftform angezweifelt, um Spielraum für Nachverhandlungen zu erhalten bis hin zu einer vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses.

 

2. Neue Rechtslage

Zum 01.01.2025 gilt nun bei Mietverhältnissen über Grundstücke und Gewerberäume:

§ 550 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr nicht in Textform geschlossen wird, für unbestimmte Zeit gilt.

Mit dieser „kleinen“ Änderung entfällt das Schriftformerfordernis somit für gewerbliche Mietverträge und Mietverhältnisse über Grundstücke.

Bei der Textform bedarf es lediglich einer lesbaren Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist und die auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, dass die Erklärungen aufbewahren/speichern und über längere Zeit wiedergeben kann. Dazu gehört E-Mail, SMS, MS-Teams und sonstige Cloud-Anbieter, sowie auch WhatsApp.

Das klingt erstmal wie eine Erleichterung des Mietermanagements – und so hat es die Bundesregierung auch begründet –, ist bei genauerer Betrachtungsweise aber hochgefährlich:

  • Beispiel 1: Der Vermieter, der sich bis zuletzt die Auswahl offenhalten möchte, schickt drei potenziellen Mietern einen Vertragsentwurf per E-Mail. In der E-Mail formuliert er: „Anbei der Mietvertrag mit der gewünschten Laufzeit von zehn Jahren im Entwurf“. Einer der Mietinteressenten schreibt per E-Mail zurück: „Keine Änderungswünsche, akzeptiert.“ Nach künftigem Recht ist der Vertrag für die zehn Jahre fest zu Stande gekommen. Der Austausch von Papier mit Unterschriften kann nicht mehr verlangt werden.
  • Beispiel 2: Die Parteien haben einen schriftlichen Mietvertrag wie bisher. Der Mieter schreibt dem Vermieter eine WhatsApp: „Darf ich aus den Stellplätzen vor dem Haus eine Blumenwiese machen? Das ist doch ökologisch viel besser.“ Der Vermieter antwortet spontan mit einem „Daumen-hoch-Smiley“. Es ist ein Nachtrag zum Mietvertrag geschlossen, der Mieter darf die Wiese anlegen. Der Vertrag kann später (anders als heute) nicht wegen Verstoß gegen die Einhaltung der Schriftform gekündigt werden.
  • Beispiel 3: Der Vermieter schreibt einem Mietinteressenten per E-Mail oder WhatsApp: „Die angefragte Fläche biete ich Ihnen für € 20,-- pro Quadratmeter ab 1.7. des Jahres mit Laufzeit von zehn Jahren an“. Der Mieter schreibt zurück „Einverstanden.“ Der Vertrag ist geschlossen; Betriebskosten oder Umsatzsteuer sind nicht separat zu zahlen, die Miete ist auf zehn Jahre nicht erhöhbar. Es gibt keine Kautionsabrede. Usw. usw. Auch hier ist der Vertrag nicht wegen mangelnder Schriftform kündbar.

 

3. Was nun?

Als Folge davon muss der bürointerne Ablauf dringend geprüft und insbesondere alle abschlussbevollmächtigten Personen hinreichend geschult werden:

  • Vertragsentwürfe und Angebote dürfen nur noch mit besonderen Hinweisen verschickt werden. Es muss klargestellt werden, dass es sich entweder um ein freibleibendes Angebot handelt oder noch nicht um ein Angebot, sondern nur einen Zwischenstand (man sich also den Vertragsschluss ausdrücklich vorbehält). Hier bietet es sich an, auch gleich so offen zu formulieren. Sollte keine Verbindlichkeit des Angebots gewünscht sein, kann ein Zusatz wie „unverbindlich / sine obligo“ gewählt werden.
  • Im Einzelfall muss möglicherweise ganz zu Beginn aller Gespräche ein Vorvertrag dahingehend geschlossen werden, dass der zu verhandelnde Vertrag nicht in Textform geschlossen werden soll, sondern in Schriftform – jedenfalls muss das klar dokumentiert sein.
  • Die Schriftformklauseln in den Mietverträgen (und in allen Mustern) müssen angepasst werden.
  • Es muss darauf geachtet werden, dass niemand, insbesondere auch Mitarbeiter nicht „schnell mal“ eine WhatsApp oder SMS versenden. Denkbar ist, sofern vorhanden, eine Anpassung der E-Mail-Signatur.

Wie dies dann im Gewerberaummietrecht im Einzelfall von den Gerichten beurteilt werden wird, ist derzeit noch nicht absehbar.

Welche sonderbaren Blüten die moderne Kommunikation sonst noch treibt, kann man in einem aktuellen Fall am Oberlandesgericht München zum Lieferverzug eines Ferraris und sich daraus ergebender Ansprüche (Rückzahlung Anzahlung für den Käufer oder Schadenersatz für den Verkäufer) lesen. Dort ging es ganz konkret um die Bedeutung eines bestimmten Smileys („Emoji“). Während das Landgericht erstinstanzlich noch dem Verkäufer Recht gab, wertete das Oberlandesgericht dies umgedreht und gab dem Käufer Recht. Anbei der Link zum Nachlesen: https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/olg-muenchen-19u20024e-auslegung-grimasse-emoji-ferrari-kauf-verzug

Derartige Fälle – auch in Verbindung mit dem Gewerberaummietrecht – werden sich exponentiell mehren.

 

4. Übergangsphase

Auf gewerbliche Mietverhältnisse, die vor dem 01.01.2025 entstanden sind, ist bis einschließlich 01.01.2026 noch die bisherige Gesetzeslage anzuwenden.

Bei Änderungen bestehender Mietverhältnisse, also die zwar vor dem 01.01.2025 entstanden sind, aber nach dem 01.01.2025 geändert werden, gilt auch schon die neue Rechtslage für das gesamte Mietverhältnis (und nicht etwa nur für die Änderungsvereinbarung).

Auf Mietverhältnisse, die ab dem 01.01.2025 neu begründet werden, gilt dann unmittelbar die neue Rechtslage.

Durch Klick auf "Einverstanden" werden alle Cookies und Dienste aktiviert, die für den Betrieb der Webseite notwendig sind. Weitere Cookies und Dienste werden genutzt, um externe Inhalte anzeigen und die Zugriffe auf unsere Website analysieren zu können. Um keine Einwilligung zu erteilen oder die Nutzung von Cookies zu personalisieren, nutzen Sie die "Datenschutzeinstellungen".